Der Hokkien Cemetery in der thailändischen Hauptstadt passt gut zu den zentralen Themen meines Blogs, Migration und Dokumentation, denn obwohl er jetzt zu Beginn des Jahrs 2021 wohl noch existiert, ist seine Zukunft doch unsicher. Erstens liegt er auf potentiellem, mit Sicherheit äußerst begehrtem Bauland, und zweitens scheint sich niemand um seine Erhaltung zu bemühen. Der Friedhof ist knapp einhundert Jahre alt, eine thailändische Jahreszahl nennt 1924 als Gründungsjahr. In dem Beitrag Ghosts of Silom vom 29. Oktober 2019 auf der Website The World of Chinese heißt es, dass Bestattungen innerhalb des Stadtgebiets in Bangkok seit 1961 verboten sind. Das wiederum bedeutet, dass die Nachkommen der hier Bestatteten, die noch persönliche Erinnerungen an diese haben, auch schon mindestens in ihren 70ern sein müssen. In Ghosts of Silom wird außerdem gesagt, dass die Gegend früher Alley of Graves genannt wurde, weil es hier verschiedene Friedhöfe für verschiedene regionale Gruppen von Overseas Chinese wie Hakka, Peranakan (Nachfahren chinesischer Einwanderer in Malaysia), Hailam (von der Insel Hainan), Cantonese und eben Hokkien (die heutige Provinz Fujian in der Volksrepublik China) gegeben habe.
Die (mögliche?) Räumung des Friedhofs ist auch Thema eines thailändischen (Dokumentar?)Films (2020) von Waraluck Hiransrettawat. Das Standfoto, welches die Inhaltsangabe des Films begleitet, zeigt den Tempel am Eingang des Friedhofs, der mit den drei Zeichen 福德祠 Fu De Ci überschrieben ist (祠 ci = Ahnenhalle oder Tempel). Ob und wann dieser Film zu sehen sein wird, weiß ich nicht.
Ich entdeckte den Hokkien Cemetery zufällig im Januar 2013. Früh am Morgen hatten mein Mann und ich in der Botschaft der Republik der Union von Myanmar Visa beantragt und danach in der Gegend einen Spaziergang gemacht. Der Friedhof liegt an der Silom Road, unweit des Sri Maha Mariamman Temples und des 2016 fertiggestellten Wolkenkratzers Maha Nakhon Tower, der 2013 eine Baustelle gewesen sein muss. Genaugenommen weiß ich nicht mehr, woran wir den Friedhof erkannten, ob an dem Schriftzug über dem Torbogen am Eingang, der das Zeichen für Grab 墓 mu enthält Shoushan Lianggong mushi, oder ob er auf dem Stadtplan eingezeichnet war (über Google Maps ist er jedenfalls nur schwer zu finden.)
Der Friedhof war insgesamt in einem erbärmlichen Zustand. Im Eingangsbereich saß eine Handvoll Menschen unter Sonnenschirmen an runden Plastiktischen, die aßen oder Zeitung lasen. Auch waren hier einige Autos abgestellt (in manchen Beschreibungen auf anderen Blogs heißt es, man müsse erst einen Parkplatz überqueren). Im Eingangsbereich lebten offensichtlich auch Menschen auf dem Gelände und der Platz, den sie für sich und ihren Hausrat beanspruchten, breitete sich bis zu den ersten Gräbern aus.
Die Menschen kümmerten sich nicht um uns, aber je weiter ich auf das Friedhofsgelände vordrang, desto mehr Hunde entdeckte ich. Sie benahmen sich wie die wahren Herren der Gräber. Meistens zogen sich von selbst zurück, aber einmal fand ich mich plötzlich allein zwischen vier Gräbern und bemerkte, dass sich in allen Zwischenräumen Hunde positioniert und mich knurrend beobachteten. Normalerweise habe ich keine Angst vor Hunden, aber in jenem Moment stieg Panik in mir auf und ich fragte mich, ob ich unversehrt wieder rauskommen würde. Ich suchte mir die Lücke mit den kleinsten / harmlosesten Vierbeinern aus und ging selbstbewusst in ihre Richtung. Zum Glück ließen sie mich durch.
Auf dem Blog Ursulasweeklywanders gibt es Fotos von einem Besuch auf dem Friedhof am 27. Oktober 2011 und einen Kommentar vom 2. November 2012 von Khin May Hlyan ( May ) aus Myanmar. Sie schreibt, dass ihr Großvater hier begraben liegt und sie in der Vergangenheit, seit sie in Thailand lebt, oft sein Grab besucht hat. Seit 2012 traue sie sich nicht mehr auf den Friedhof, weil die Hunde immer zahlreicher werden. Auch sie bedauert, dass der Ort so vernachlässigt ist.
Die Grabstätten hatten unterschiedliche Formen, von ziemlich schlicht bis ziemlich aufwendig. Auf der linken Seite begann bald hinter dem Eingang eine graue Mauer mit zweistöckigen Urnenfächern, durchnummeriert in arabischen Ziffern. Die Fächer waren entweder offen und leer oder von schlichten Platten verschlossen, auf denen die Daten der Verstorbenen standen. Das Sterbedatum war oft nach dem Kalender der Republikzeit (1911-1949) angegeben, „Minguo 36. Jahr“ wäre dann 1947 (ab 1911 gerechnet). Manche der Platten wiesen auf den Heimatort des Verstorbenen in der Provinz Fujian hin, manchmal gab es auch Inschriften in Thai. Einem kleinen Teil der Urnenfächer war anzusehen, dass hier doch noch Angehörige zur Pflege oder zum Gedenken kommen, sei es dass die Inschrift frisch nachgezogen war, oder Spuren von Räucherstäbchen zu sehen waren.
Der Hokkien oder Chinese Cemetery fasziniert auch andere:
2. Januar 2020: PhotoBlog von Antoni Uni: The straits-born Chinese Cemetery, Silom Road – Bangkok
Juli 2018 (mit Film!): Things to do in Thailand, Hokkien Chinese Cemetery