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Film: Fly with the Crane

Fly with the Crane. Filmstill

Gestern habe ich im Rahmen des 6. Chinesischen Filmfestivals, welches vom 18.-24. März 2021 Filme zum Thema „Unruhestand? – Altern in China“ zeigt(e), den Film „Fly with the Crane“ von Li Ruijun gesehen. Der Film ist von 2012 und wurde nach einem Roman von Su Tong gedreht. Vor vielen Jahren habe ich den Roman „Reis“ von Su Tong gelesen, eine düstere, grausame, schwer zu ertragende Geschichte um den Aufstieg eines hungrigen Waisenjungen zum Reishändler.

So lautet die kurze Filmankündigung auf der Festivalwebsite:


„Die beiden 73-jährigen Lao Ma und Lao Cao waren einst bekannte Sarg-Schreiner. Nach Lao Caos Tod ist Lao Ma überzeugt davon, dass die Seele eines Toten durch eine Einäscherung vernichtet würde. Nur eine Erdbestattung könne dies verhindern. Diese lässt das chinesische Gesetz jedoch nicht mehr zu. Als letztes Geschenk für Lao Ma treffen seine jungen Enkel deshalb eine außergewöhnliche Entscheidung …“

Die Handlung des Films ist nicht so düster wie jene in „Reis“. Sie spielt im Sommer in der westchinesischen Provinz Gansu. Die Protagonisten und Protagonistinnen (im Abspann heißt es, dass es Verwandte und Freunde des Regisseurs sind) sind Bauern, die ihrem einfachen Leben nachgehen: Melonen ernten, Seile knüpfen, Schilf schneiden… Der Ton zwischen Eltern und Kindern ist zwar manchmal etwas rau, aber man spürt doch Zuneigung zwischen den Familienmitgliedern.

Der Film thematisiert die chinesische Bestattungsreform. Bereits im Jahr 1956 hatte Mao Zedong ein Dokument aufgesetzt, in welchem er die Einäscherung befürwortete, weil Erdbestattungen zu viele Ressourcen verschwendeten, vor allem fruchtbares Ackerland und Holz für Särge. Parteikader sollten mit gutem Vorbild vorangehen und zahlreiche führende Parteimitglieder unterzeichneten das Dokument. Das ist ein Grund dafür, dass von so bedeutenden Politikern wie Zhou Enlai und Deng Xiaoping keine Grabstätten existieren. Während diese Politik in den Städten relativ bald durchgesetzt werden konnte und auch auf Akzeptanz stieß, stößt sie auf dem Land bis heute auf Widerstand.

Im Frühjahr 2018 wurde eine Kampagne in der Provinz Jiangxi, bei der zahlreiche Särge, die Bauern vorsorglich in ihren Häusern gelagert hatten, konfisziert und zerstört wurden, in der chinesischen Öffentlichkeit stark kritisiert. Über die Ereignisse wurde später sogar in internationalen Medien wie der New York Times berichtet: Thousands of Confiscated Coffins and an Exhumed Corpse Stoke Fury in China.

Der Protagonist in „Fly with the Crane“ ist also kein Einzel- oder Sonderfall, sondern steht vielmehr für sehr viele alte Menschen in China, vor allem Bauern. Tatsache ist, dass man überall in China die kleinen Erdhügel von Gräbern sehen kann, mitten in Feldern entlang der Bahnlinien, aber sogar an der Stadträndern Pekings und selbst gleich außerhalb der Mauern regulärer Friedhöfe. Ob hier Asche oder Leichname bestattet wurden, ist natürlich von außen nicht zu sehen.

Realistisch ist auch die Filmszene, in der das Grab von Lao Cao unter lauten, verzweifelten Protesten seiner Angehörigen geöffnet wird, um den Sarg ins Krematorium zu bringen. Im Hintergrund steht ein Polizeiwagen und überwacht die Aktion. Ungewöhnlich und gar nicht realistisch ist wirklich nur das Ende des Films, das ich hier nicht verraten möchte. Es trägt deutlich die literarische Handschrift Su Tongs, finde ich, und hat mich erst einmal ziemlich sprachlos zurückgelassen.

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