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London Highgate Cemetery: nicht nur Karl Marx

Mein Besuch auf dem Londoner Highgate Cemetery (Ost) liegt nun schon drei Monate zurück. Es war Samstag, der 24. Dezember, aber es fühlte sich nur wenig weihnachtlich-festlich an. Es war ein schöner Wintertag, an dem fahles Sonnenlicht durch die kahlen Baumwipfel fiel und eine dem Ort angemessene melancholische Atmosphäre erzeugte. Auf dem Highgate Cemetery (Ost) waren gar nicht wenige Besucher unterwegs, darunter einige junge Chinesen, wahrscheinlich Studenten. Besondere Attraktion: das monumentale Denkmal/Grabmal für den deutschen Philosophen Karl Marx, das lange nach seinem Tod 1883 errichtet und am 14. März 1956 vom damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Großbritanniens, Harry Pollitt, enthüllt wurde. Interessant, dass rund um den Großen Rauschebart viele andere Mitglieder der internationalen kommunistischen Szene, Aktivisten und Menschenrechtler zur Ruhe gekommen sind.

Grüße von Marx-Verehrern aus China! Von der Northern Forestry University. An den großen Herrn Marx!

Das Originalgrab von Herrn Marx, in dem er am 17. März 1883 (vor 140 Jahren) bestattet wurde, war ein einfaches Reihengrab gewesen, das ebenfalls noch existiert. Er teilte es mit seiner Ehefrau Jenny, seinem Enkel Harry Longuet und seiner Haushälterin Helena Demuth. Die Inschrift des Grabsteins lautete:

„Jenny von Westphalen The beloved wife of Karl Marx Born February 12. 1814 Died December 2. 1881

And Karl Marx Born May 5. 1818, died 14. March 1883

And Harry Longuet Their grandson Born July 4. 1878, died 20. March 1883.

And Helena Demuth Born January 1. 1823, died November 14. 1890“

Erstdruck in Wilhelm Liebknecht: Karl Marx. Nürnberg 1896. Nach einer Fotografie von Karl Pinkau.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Marx-Grab#/media/Datei:Grab_der_Familie_Marx_1896.jpg

Der Highgate Cemetery (westlicher Teil) wurde 1839 als private Unternehmung eröffnet. Der östliche Abschnitt folgte 1860. Der Highgate Cemetery gehört zu den sieben „magnificient cemeteries“ der viktorianischen Epoche. Er wurde nach dem Vorbild des Père Lachaise in Paris angelegt, und sollte schön und beeindruckend sein, um die wohlhabenden Bewohner Londons dazu zu bewegen, sich hier begraben zu lassen, und die Einnahmen und Gewinne der London Cemetery Company zu sichern. Schon zur Zeit der Gründung war der Friedhof auch als Touristenattraktion geplant! In den 1970ern ging die London Cemetery Company bankrott und 1975 wurde der Friedhof von dem gemeinnützigen Friends of Highgate Cemetery Trust übernommen. Die Jahresgebühr für Mitglieder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sind schlappe 28 GBP. Ob die Mitgliedschaft eine Bestattung hier ermöglichen würde? Und was die wohl kosten würde? Die Website gibt keine Auskunft.

Einer der Nebenwege im Ostteil des Highgate Cemetery am 24. Dezember 2022.

Es gibt heute 53.000 Grabstätten und seit der Gründung haben rund 170.000 Beerdigungen stattgefunden.

Reihengräber, Gräberreihen

Aber es gibt natürlich viel mehr zu sehen, als nur den Mann mit dem Rauschebart. Wälder aus Kreuzen vor Baumstämmen. Statuen. Inschriften. Eine sehr schöne, kleine Broschüre mit Informationen zu interessanten Gräbern und ihren Stories („The East Cemetery Companion“) einschließlich eines Lageplans ist am Eingang käuflich zu erwerben:

Der 11-jährige Koque Martinez, geboren 1926, kam während des Spanischen Bürgerkrieges zusammen mit zwei jüngeren Brüdern auf einem Schiff mit etwa 4000 anderen Kindern aus dem Baskenland nach England. Erst 16 Jahre später sahen die Kinder ihre Eltern wieder. Koque lebte bis zu seinem Tod in England, er war Maler, Dichter und Aktivist.

Die Pinguine haben mich eine Weile beschäftigt, zumal sie mir auch vage bekannt vorkamen. Die Antwort war in diesem Fall nicht schwer zu finden: Jim Stanford Horm war Partner beim Verlag Penguin Books. Klaro.

Sisiphus arbeitet sich auf dem Grab von Dorothea Gage (geboren 1912 in Berlin, geflüchtet 1933 nach London; gestorben 2000; politische Aktivistin) und ihrem Mann John Gage (NICHT: Cage, sondern Biochemiker) ab. John Gage sprach sieben Sprachen (was bei mir immer besondere Bewunderung und ein wenig Neid auslöst). Die Skulptur stammt von ihm selbst. In dem East Cemetery Companion heißt es: „Weil die Zukunft nichts für uns bereit hält, muss das Leben für den Moment und seine gegenwärtige Schönheit gelebt werden.“ Yes, how true!

Illustre Gesellschaft: Links oben: Harry Thornton (1883-1918), Unterhaltungskünstler & Pianist. Opfer der Spanischen Grippe.
Rechts oben: Malcolm Mclaren (1956-2010), Manager der Punkgruppe Sex Pistols 1976/1977. Grabinschrift: „It is better to be a flamboyant failure than any kind of benign success.“

Links unten: Das Grabmal des Künstlers Patrick Caulfield (1936-2005), von ihm selbst designt. D E A D.

Hier ein Bild des Harry Thornton Klavier-Monuments aus den Jahre 1977-1979, also aus der Zeit, kurz nach dem die Friends of Highgate cemetery die Pflege des Friedhofs übernommen hatten.

Sally Hunter, unauffällig an einer Ecke in der Friedhofsmauer platziert, mit ihrem unerfüllten Potential fühle ich mich sehr nah. Ich hätte auch so viel anderes sein mögen und „Meeresbiologin“ war auch mal auf meiner persönlichen Liste der Traumberufe. Kannten Sally und Stephen sich oder liegen sie nur zufällig so harmonisch Seite an Seite?

Da wäre noch so viel mehr… So heißt es zu der Künstlerin Berenice Sydney, die nur 38 Jahre alt wurde, dass sie mit ihrem Vater, Joseph Sydney Frieze, einem Dokumentarfilmer, und dem Familienhund Simon begraben ist, die beide wenige Wochen nach ihr starben. Ja, war das denn erlaubt? Wie fand das statt?

Praktisches zum Besuch

Highgate Cemetery Online: Öffnungszeiten, Wie komme ich hin?, Führungen und Reservierungen: Gut zu wissen, dass man eine Grabstelle nur reservieren kann, wenn die Wahrscheinlichkeit, es bald zu nutzen, relativ hoch ist. Zitat von der Website: „To buy a plot in advance you must be over 80 years of age or terminally ill.“

By the Way: Der Besuch kostet Eintritt, ist aber mit 4,5 Englischen Pounds recht günstig. Wenn man für 10 GBP ein Ticket für die West-Seite kauft, ist der Besuch der Ost-Seite inkludiert. Im Jahr 2016 konnte ich die West-Seite nur mit einer Führung besuchen, aber jetzt kann man laut Website auch ohne Führung auf das Gelände. Eine Führung durch Freiwillige der „Friends of Highgate“ ist aber sehr empfehlenswert! Lebte ich in London, wäre das ziemlich sicher der erste Verein, in den ich eintreten würde.

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