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Lübeck. Von Menschen und Tieren

Hundegrabstele Lübeck 2021

Am letzten Wochenende habe ich eine Freundin in Lübeck besucht. Corona-konform, zwei Personen, zwei Haushalte. Vielleicht weil die Auswahl an Freizeitzielen nur sehr begrenzt ist, haben ich drei, oder eigentlich vier Friedhöfe besucht. Schon im April 2020 hatte mein Mann in einem seiner WeChat-Posts ein Friedhofsbild so kommentiert: „Da wir die Lebenden nicht treffen dürfen, besuchen wir eben die Toten.“

Der schönste war der Waldfriedhof der Kirchengemeinde Scharbeutz am Kammerwald, an dem wir zufällig nach einem langen Spaziergang an der Ostsee vorbeikamen. Hier darf man auch Hunde mitnehmen, was nicht selbstverständlich ist und meiner Freundin mit ihren aktuell nur noch zwei Hunden sehr entgegen kam.

Schabeutz Januar 2021 Friedhofsordnung
Scharbeutz Januar 2021 Friedhofsordnung

Im Januar nach starken Regenfällen präsentierte sich der Friedhof natürlich ganz anders als im Sommer (Fotos auf der Website der Kirchengemeinde). Besonders gefielen mir die vielen Natursteine, die gut zum Waldcharakter des Friedhofs passen, und die Gestecke in Rot- und Violetttönen, die wohl noch aus dem Herbst stammen und einen sehr schönen Kontrast zum Grau der Steine und Dunkelgrün der Bäume und Sträucher bildeten.

Und immer sind es einzelne Grabstellen, die besonders ins Auge springen, wie diese beiden der Familie Langbehn, Müllermeister aus Klein Timmendorf, der ältere mit einem Versuch, sich das harte Leben schmackhaft zu machen: „Wenns köstlich war, wars Mühe und Arbeit.“ Der letzte Müllermeister verstarb 1999 im Alter von 85 Jahren.
Scheinbar ist die Mühle heute immer noch in Familienbesitz und soll sogar wieder restauriert und in Betrieb genommen werden: https://archive.milldatabase.org/mills/germany-windmuhle-timmendorfer-strand_id_18298.

Hier noch zwei weitere Sinnsprüche:
„Leuchtende Tage, nicht weinen, wenn sie vorüber sind“
„Es ist bestimmt in Gottes Rat, daß man vom Liebsten, das man hat, muß scheiden“

Beim Spaziergang am Strand von Scharbeutz sah ich eine Tafel, die daran erinnert, dass im Jahr 1945 10.000 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme zur Neustädter Bucht und dort auf mehrere Schiffe gebracht wurden, u.a. auf die seeuntüchtige (!) Cap Arcona. Am 3. Mai 1945 starben hier etwa 7.000 Menschen bei Angriffen britischer Flugzeuge. Offensichtlich wussten die Briten nicht, dass es sich nicht um Kriegsschiffe handelte. Details zu der Katastrophe liefert dieser Artikel von Bernhard Sprengel in der Welt vom 3. Mai 5.2020: „Beim Untergang kommt es zu furchtbaren Szenen„.
Auf dem Waldfriedhof steht ein Denkmal, dass an einige der Toten erinnert, die wohl auch hier bestattet wurden: „Hier ruhen 810 politische Gefangene von 16 Nationen, die auf der Cap Arcona in der Neustädter Bucht am 3. Mai 1945 den Tod fanden.“ Weitere Opfer der Katastrophe sind auf anderen Friedhöfen rund um die Lübecker Bucht bestattet oder es wird ihrer dort gedacht. Auf den deutschen Kleinstadt- und Dorffriedhöfen findet man eher selten Internationales. Das meiste hat mit Krieg zu tun.

Auf dem Kirchfriedhof neben der Marienkirche in Siebenbäumen fand ich neben einem Denkmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten aus der Gegend allerdings zwei Grabmale mit Familiennamen, die für transkulturellen Austausch und für zwei verschiedene Phänome stehen: ein polnischer und ein italienischer. Von den Jahreszahlen her vermute ich, dass es den Polen mit dem Geburtsdatum 1919 im Krieg hierher verschlagen hat (wahrscheinlich als Zwangsarbeiter), wo er dann seine 1924 geborene Frau kennengelernt und geheiratet hat und geblieben ist. Das Ehepaar mit dem italienischen Namen ist 1942 und 1946 geboren. In einer Analyse über die Zuwanderung italienischer Arbeitskräfte nach Deutschland nach dem 2. Weltkrieg schreibt Dr. Grazia Prontera für die Bundeszentrale für politische Bildung:

Im April 1956 verließ das erste Kontingent von 1389 Saisonarbeitern Italien. Ende des ersten Anwerbejahres arbeiteten 10.240 Arbeiter aus dem Veneto, Apulien und Kampanien im Agrarsektor und im Baugewerbe in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Ab Mitte der 1960er Jahre konzentrierte sich die Migrationsbewegung, die hauptsächlich aus dem Süden Italiens kam, auf die metallverarbeitende Industrie in den Bundesländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.

Quelle: „Italienische Zuwanderung nach Deutschland. Zwischen institutionalisierten Migrationsprozessen und lokaler Integration

Schleswig Holdstein war zwar nicht das Hauptziel dieser Menschen, aber irgendwie haben sich Pasquale und Erika doch gefunden! Der ganze Artikel ist übrigens sehr interessant und erinnert daran, dass die heutige Freizügigkeit in der EU eine schöne Errungenschaft und nicht selbstverständlich ist.

Und nun zuletzt noch mal zu den Tieren. Rufus, der älteste Hund meiner Freundin, war zwei Wochen zuvor zuhause gestorben. Wie auch ihre anderen Haustiere wurde er im Garten begraben (Foto links) und bekam eine schöne individuelle Erinnerungsstele. Eine ähnliche Stele hatte sie bereits für ihren Lieblingshund Püppi anfertigen lassen. Im Garten liegen bisher drei Hunde, eine Katze, zwei Kaninchen und „unzählige Rennmäuse“. Ein bischen musste ich an „Friedhof der Kuscheltiere“ von Stephen King denken. Ich hätte es ja nicht vermutet, aber es ist sogar ganz legal, Haustiere bis zur Größe eines großen Hundes, auf dem eigenen Grundstück zu bestatten, wenn das Grundstück nicht im Wasserschutzgebiet liegt, das Trinkwasser nicht gefährdet wird und das Tier nicht eingeschläfert wurde und keine ansteckende Krankheit hatte. Das Grab sollte idealerweise einen Meter tief und der Tierkörper mit mindestens 50 cm Erde bedeckt sein.

Ausgerechnet in Bremen, dem einzigen Bundesland, wo ja das Verstreuen von menschlicher Asche unter bestimmten Auflagen außerhalb von Friedhöfen erlaubt ist, darf man aber nur Ziervögel und Kleinnager im Garten beerdigen. Grund ist der hohe Grundwasserstand und die hohe Siedlungsdichte.

Ein Gedanke zu „Lübeck. Von Menschen und Tieren“

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