Am 23. Dezember 2024 kommen viele BesucherInnen auf den Allgemeinen Friedhof der chilenischen Hauptstadt. An der U-Bahnstation der Linie 2, Cementerios, wird weihnachtlicher Grabschmuck verkauft.
Die meisten sind an bestimmte Verwandte adressiert: Großmutter, Opa, Schwester, Sohn…. Ich habe mir zwei für Papa und Mama gekauft, vielleicht werden sie 2025 auf deren Grab ihren Platz finden.
Am Eingang informiert eine Tafel in Spanisch und Englisch, dass der Friedhof 1821 auf Anordnung von Bernado O’Higgins gegründet wurde. 2010 wurde der historische Teil des Cementerio general zum Nationalen Kulturerbe erklärt. TouristInnen werden ausdrücklich willkommen geheißen, sich umzuschauen.
Ich erkunde zuerst einmal die vielen Kolumbarien, die sich hinter dem Eingang links und rechts entlang der Hauptstraße Avenida Limay ziehen. Es sind mehrstöckige, funktionale Betonkonstruktionen, die gelbe Farbe blättert ab. Auch wenn in der Anlage auf der linken Seite viele Sterbedaten um 1944 und 1945 liegen, glaube ich nicht, dass die Bauten so alt sind.
Mein Begleiter meint, es würde doch ausreichen, ein paar Fotos zu machen und weiter zugehen, aber es sind wie immer die Details, die den Besuch so lohnenswert machen. Die Namen – neben spanischen auch deutsche, slawische, englische und – überraschend – ein japanischer: Kanzo Sonoda, verstoben am 12. Juli 1951 im Alter von 57 Jahren. Auffällig, dass die Geburtsdaten fast nie erwähnt werden. Meist haben sich auch die Angehörigen verewigt: der Ehegatte oder die Ehegattin, Söhne, Töchter, Enkel.
Besonders berührt mich die folgende Inschrift für eine verstorbene Ehefrau, die auch meine verschütteten Spanischkenntnisse herausfordert und Verben in allen grammatikalischen Zeiten präsentiert:
„Du kannstest meine Zuneigung,
und kennst heute meinen großen Schmerz
Ruhe in Frieden meine Geliebte,
bald werde ich bei Dir sein.
Es tröstet uns, zu wissen, dass du die Ewigkeit genießt,
Du warst meine beste Gefährtin und Freundin
Du lebst weiter im Herzen der Deinen, für alle Ewigkeit“
Durchblicke…
Es gibt einige architektonisch interessante Durchblicke.
… und Details
Grabbegrünung kann auch ganz einfach sein.
Die Kolumbarienfächer sind natürlich eine günsitge Variante und wer genug Geld hat(te), leistet sich etwas Repräsentableres. So folgen auf die Kolumbarien Art-Deko-Mausoleen aus den 1920ern, die zu ihrer Zeit sehr fortschrittlich waren. Und dann komme ich auch noch zu den Präsidenten – von insgesamt 34 Präsidenten sind bis auf zwei (mit Ausnahme des Diktators Pinochet und Gonzales Videla, Präsidentschaft von 1946-1952) und alle auf dem Cementerio general beigesetzt. Mit ihnen beschäftige ich mich in einem kommenden Beitrag.
Nach etwa zwei Stunden auf dem Friedhofsgelände bin ich fix und fertig, zumal es immer heißer wird. Wenn ich auf einen der Lagepläne schaue, muss ich feststellen, dass wohl noch weitere Besuche anstehen. Der Cementario General hat eine Größe von 86 Hektar, wie es in einem empfehlenswerten Beitrag zum Cementerio General de Santiago von Sophia Boddenberg heißt, der 2019 im Deutschlandfunk gesendet wurde. Das ist etwa ein knappes Viertel der Fläche des Ohlsdorfer Friedhofs mit 389 Hektar.