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Sillé-le-Guillaume. Frankreich, Polen, Senegal

Drei Fahnen wehen neben dem kleinen Soldatengräberfeld. Frankreich, Polen und Senegal. Mich interessiert vor allem Polen. Warum? Ziemlich genau vor drei Jahren entdeckte ich in der kanadischen Kleinstadt Niagara-on-the-Lake auch einen polnischen Soldatenfriedhof mit Denkmal und allem Pipapo. (woher kommt dieser Ausdruck eigentlich? Hier eine Antwort von Rolf-Bernhard Essig)

Von Links: Mackiewiez Michel, Chasseurs Polonais, 4.4.1919; Jursa Paul, Caporal Chasseurs Polonais, 12.4.1919; Abdyk Adam, Chasseurs Polonais, 30.4.1919; Inconnu

Ich zitiere mich selbst, aus meinem Beitrag über den „Polnish Soldier’s Burial Plot 1917-1918″ in Kanada: Frankreich hatte im Juni 1917 den Aufbau einer polnischen Armee angekündigt. Während zwischen dem 3. Oktober 1917 und dem 26. März 1918 etwa 20.000 polnische Freiwillige nach ihrem Militärtraining im Kosciuszko Camp hier in Niagara nach Europa gingen, um in der „Blue Army“ des polnischen Generals Joseph Haller in Frankreich gegen Deutschland und später in Polen gegen die neu entstandene Sowjetunion zu kämpfen,…“ Und wo entstand diese Blue Army? Ausgerechnet in Sillé-le-Guillaume, wohin es mich durch Zufall in diesem Februar 2023 verschlagen hat. Schon bei einem der ersten Spaziergänge durch den Ort (etwa 2500 Einwohner) war mir eine Reihe von Schautafeln mit Schwarzweiß-Bildern aufgefallen.

Die aus Freiwilligen gegründete Armee trug dazu bei, dass am 11. November 1918 der Staat Polen, bekannt als Zweite Polnische Republik, neugegründet werden konnte, nachdem er 123 Jahre lang von der europäischen Landkarte verschwunden war, aufgeteilt unter Preußen Russland und Österreich-Ungarn. Maßgeblich beteiligt: General Pilsudski, dessen Herz in Vilnius begraben ist. Zwischen 1917 und 1919 existierte in Sillé-le-Guillaume (etwa 250 km westlich von Paris gelegen) ein französisch geführtes Trainings- und Ausbildungslager für polnische Freiwillige der „Blauen Armee“, bevor sie an die Front gingen und in die zukünftige polnische Armee integriert wurden. Schon seit 1914 hatten polnische Freiwillige in der französischen Armee gedient.

Am 4. Juni 1917 hatte der Präsident der Republik, Raymond Poincaré, grünes Licht für die Gründung einer autonomen polnischen Armee unter polnischer Flagge und französischem Kommando gegeben. Unterstützt wurde die Initiative vom US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Am 27. Juni trafen die ersten polnischen Freiwilligen im Lager von Sillé ein. Sie kamen aus Frankreich, Belgien, den USA, Kanada, Brasilien, Argentinien oder Australien.

Zwischen März 1918 und Juli 1919 wurden Sillé-le-Guillaume acht Hochzeiten zwischen polnischen Freiwilligen und jungen Frauen der Umgebung verzeichnet. (Ob die jungen Männer danach noch Lust hatten, in den Krieg zu ziehen? Ob sie blieben oder ihre Frauen nach Polen nachholen?) Zwischen Oktober 1918 und April 2019 starben 12 Polen, zwei von ihnen begingen Selbstmord. Sie sind es, die auf dem Friedhof bestattet wurden.

In der neuen polnischen Armee war von April 1919 bis Januar 1921 ein gewisser Charles de Gaulle als Infanterieausbilder tätig. Er nahm auch am Polnisch-Sowjetischen Krieg teil, den die polnische Armee für sich entscheiden konnte.

Erinnerung an die Toten von 1870 /1871, und von 1890/1891

Ich dachte, ich hätte in den letzten zwei Wochen auf unzähligen Spaziergängen durch das Dorf mit HUND schon alles Straßen und Gassen abgelaufen – aber am vorletzten Morgen habe ich eine neue Abzweigung gewählt und zwischen Bahngleisen und Bungalows einen weiteren Gedenkstein für die 14 senegalesischen Soldaten entdeckt, die an eben dieser Stelle am 19. Juni 1940 (sicher ein schöner Frühsommertag) erschossen wurden. Mehr Informationen zu den Umständen gibt es auch hier nicht.

Ein paar Minuten Recherche und ich fand u.a. diesen französischen Artikel: À Sillé, la Wehrmacht exécute 14 Sénégalais. Auch ohne Französisch ist klar, wer die Schuldigen waren. Am Ende des Beitrags wird der Historiker Raffael Scheck genannt, der über den Hintergrund dieses und ähnlicher Geschehen ein Buch geschrieben hat: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten. (Im Original: Hitler’s African Victims, New York: Cambridge University Press, 2006).

Die vorliegende Untersuchung belegt erstmals detailliert, dass die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Massaker an schwarzen Soldaten und Kriegsgefangenen verübte, die in der französischen Armee gekämpft hatten, und zeigt auf, wie weit die Nazifizierung der Truppe bereits zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten war.

https://www.assoziation-a.de/buch/Hitlers_afrikanische_Opfer

Noch ein paar Fundstücke aus Sillé-le-Guillaume

Rawa-Ruska ist ein Ort in der Nähe von Lwiw, Westukraine. WER aber ist der Kamerad? Und WER hat die Plakette aufgestellt?
Bauernstube – das (idyllische?) Leben im Dorf
Ich liebe die Porzellanblumen auf französischen Friedhöfen!
Nature morte
Das Kolumbarium – warum denke ich an Bienenkörbe?
Die schmiedeeisernen Kreuze sind nicht mehr in Mode.
Der Friedhof von Sillé-le-Guillaume in der Landschaft

Hier gibt es einen langen Artikel zur Gründung der polnischen Armée bleu im ersten Weltkrieg (en francais).

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