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Xiangyang Cemetery of Revolutionary Martyrs, Hubei

Der Xiangyang Cemetery of Revolutionary Martyrs (襄阳烈士陵园) wurde 1983 unter Denkmalschutz gestellt. 1988 wurde er zur nationalen Märtyrergedenkstätte ernannt und 2005 als eine der ersten im Land zu einer offiziellen „Roten Tourismusattraktion“ (红色2A级旅游景点). 2009 wurde er außerdem eine Muster-Bildungsinstitution für Landesverteidigung (国家国防教育示范基地). Die Stadt Xiangyang liegt im Norden der Provinz Hubei am Hanshui Fluss und in der Mitte eines Dreiecks mit den Eckpunkten Wuhan, Zhengzhou und Xi’an. Alles Fotos stammen von mir und wurden im Januar 2020 gemacht.

Tafel, die über den Status des Denkmalschutzes (gewährt 1983) informiert.
Xiangyang Märtyrerfriedhof: Eingangsbereich mit Märtyrerpavillon (Januar 2020)

Dies ist der neue Bereich der Anlage mit einheitlichen Kissensteinen. Märtyrer aus jüngerer Zeit sind häufig PolizistInnen oder Armeeangehörige, die in Ausübung ihres Dienstes gestorben sind. Bei den im Januar 2020 belegten und beschrifteten Plätzen handelte es sich vor allem um Umbettungen. Schon ab Reihe drei (von unten gezählt) waren die Plätze noch fast alle unbelegt.

Auf den Steinen werden die persönlichen Daten weitgehend einheitlich in Form einer Aufzählung präsentiert: Name, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Geburtsort, Geburtsjahr und Monat sowie der berufliche Werdegang und/oder die Position. Dann folgt die Todesursache, bzw. der Anlass für den Märtyrerstatus und es wird die Stelle genannt, die den Märtyrerstatus genehmigt hat. Am Schluss wird noch das Datum der Umbettung genannt. Die Umbettungen fanden in den Jahren 2016, 2017 und 2019 statt. Es ist mir nicht bekannt, von wo die Grabstellen umgesiedelt wurden. Manche der Platten weisen auch ein ovales, auf Porzellan gemaltes (gebranntes oder gedrucktes?) Schwarzweiß-Foto des Verstorbenen auf.

Diese Grabstellen aus den 1970er Jahren zeugen davon, dass Platz bzw. der Mangel an Platz damals noch kein Kriterium war. Die Form der Gräber erinnert an eine vereinfachte Form der für Südchina (Fujian, Guangdong) typischen „Schildkrötenpanzerform“ (龟壳墓 guīkémù oder 龟甲墓 guījiǎmù). Wie eng der Bezug ist, wäre aber noch zu klären. In jedem Fall hat in den vergangenen Jahrzehnten ein Stilwandel stattgefunden, die neue Anlage orientiert sich in ihrer platzsparenden, uniformen Schlichtheit eher an westlichen Soldatenfriedhöfen.

Der Grabstein für Dong Xinyue auf dem Bild links wurde 1968 von der Volkbefreiungsarmee errichtet. Die 13 Zeichen unterhalb des roten Sterns bedeuten übersetzt: „Für das Wohl des Volkes zu sterben, wiegt schwerer als der Berg Tai“ (Zitat von Mao Zedong). Die senkrechte Inschrift auf der Vorderseite rechts lautet : „Heldenhaft geopfert beim Schutz der Massen in der Großen Proletarischen Kulturrevolution“. Auf dem zweiten Bild ist die Rückseite des Grabsteins mit einer ziemlich ausführlichen Grabinschrift zu sehen. Sie gibt einen Überblick über das Leben des 1968 verstorbenen Dong Xinyue (Klassenstatus: armer Bauer), der erst 1963 in die Armee eingetreten war. Er starb bei dem Versuch eine angeschossene Person auf einem Holzboot beim Fähranleger von Xiangjiang zu retten. Dabei wurde er von einer „kleinen Handvoll von Klassenfeinden“ erschossen. Die Bezeichnung yi xiao cuo jieji diren 一小撮阶级敌人 war eine von vielen Standardformulierungen in offiziellen Verlautbarungen (zum Beispiel in Berichten in der Volkszeitung) während der Kulturrevolution. Mit dem Begriff „kleine Handvoll“ (auch eine Prise, z. B. Salz) wurde der Eindruck vermittelt, dass die „Klassenfeinde“ wenige und schwach waren (aber es gab doch genug, um wachsam bleiben zu müssen). Es ist anzunehmen, dass im Falle einer Umbettung dieses Grabes der Grabstein, der beispielhaft die Wertvorstellungen einer bestimmten historischen Epoche und ihre Umsetzung in Sprache belegt, verloren gehen würde. Der Platz für Informationen auf den aktuell verwendeten Kissensteinen ist beschränkt, und die Formulierungen, die heute „Standard“ sind, sind andere.

Auch solche Grabformen mit Löwenwächterfiguren finden sich auf dem Xiangyang Cemetery of Revolutionary Martyrs. Der Grabstein auf dem linken Bild wurde 2011 neu errichtet und zwar von den Nachfahren, nicht von der Armeeorganisation. Die beiden Söhne heißen interessanterwesie „Die Landwirtschaft aufbauen und „Die Industrie aufbauen“. Möglicherweise könnte man daraus ihre ungefähren Geburtsdaten ableiten. Der Vater ist 1975 verstorben.

Für das Grab auf dem Bild rechts zeichnet das „Verwaltungsbüro der Großen Brücke über dem Han Fluss“ verantwortlich. Auf der Vorderseite des Grabsteins werden nur das Geburts- und Sterbedatum genannt: 1970-1994.

Diese kleine Auswahl von Bildern gibt einen gewissen Eindruck davon, wie sich Geschmack und Gestaltungsgrundsätze über die Jahre und Jahrzehnte verändern. Allein die Inschriften laden mit ihren Inhalte und ihrer Form (Wer sind die Märtyrer? Was wird über die Märtyrer gesagt? Was wird nicht gesagt? Wie soll man sich an sie erinnern?) zu einer intensiv Beschäftigung ein, die aber auch sehr zeitintensiv ist, so dass ich hier aktuell nur sehr selektiv darauf eingehen kann.

Neben den oben dargestellten individuellen Gabstätten, gibt es auch noch einen Platz für ein mehr formalisiertes, generelles öffentliches Gedenken. Gleichzeitg handelt es sich hier aber nach meiner Einschätzung, die naturgemäß oberflächlich ist, da sie auf einem einzigen Besuch beruht, um einen Ort, der als öffentlicher Park wahrgenommen und genutzt wird, zumal man im hinteren Bereich in ein Wander-/Ausflugsgebiet kommt (wo aber tatsächlich auch noch vereinzelt Märtyrergräber ungeodnet „in der Landschaft“ stehen). Eine breite Treppe führt zunächst zur Gedenksäule. Deren Aufschrift lautet „Gedenksäule für die revolutionären Märtyrer“. Sie wurde erstmal 1951 errichtet und 1975 erneuert / neuaufgebaut. Dahinter liegt „das“ Grab der Revolutionären Märtyrer, das auf seiner Rückseite mit einer diskreten Platte mit der Aufschrift „Grab für 103 unbekannte Märtyrer. Gestorben in der Großen Revolution und im Kampf um Xiangyang“ versehen ist.