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London. Ilford PDSA Pet Cemetery

Im Nordosten von London, in Ilford, liegt der PDSA Pet Cemetery, benannt nach einer 1917 von Veterinären gegründeten Wohltätigkeitsorganisation, der People’s Dispensary for Sick Animals. Der Friedhof, der aus den 1920er Jahren stammt, liegt hinter einer PDSA-Tierklinik, deren Vorgänger das 1928 gegründete Ilford Sanatorium, ein Ausbildungszentrum für Studierende der Tiermedizin ist.

PDSA Pet Cemetery – Eingang

Mehr als 3000 Tiere sollen hier begraben worden sein, bevor er in den 1960ern geschlossen wurde. Laut Angaben des Wissenschaftlers Eric Tourigny sind auf dem PDSA-Tierfriedhof in Ilford 467 Grabmale erhalten. Die ältesten stammen aus den 1930er Jahren (6), die meisten aus den 1950er (189) und 1960er Jahren (105). Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung wurde der PDSA Tierfriedhof 2007 mittels einer Zuwendung aus der National Lottery in Höhe von 50.000 Pfund in Ordnung gebracht und offiziell wieder eröffnet. 2022 folgte eine weitere Phase von Arbeiten zum Erhalt der Anlage. Heute sieht man deutlich den Unterschied zwischen den vor etwa 15 Jahren restaurierten und den nicht restaurierten Gräbern.

PDSA Pet Cemetery

Eine Ergänzung der jüngeren Zeit ist der Gedenkgarten „Paws Forever“ (in etwa: „Ewige Pfoten“), der von dem in Großbritannien bekannten Gärtner und Landschaftsdesigner, Bob Flowerdew, entworfen wurde. Hier stehen vier Betonsäulen in einem Viertelkreis um eine größere herum, zusammen bilden sie die Form einer Pfote ab. Sie weisen enge Reihen von Haken aus, an denen einheitlich gestaltete Metallplaketten zur Erinnerung an individuelle Haustiere befestigt werden können.

Der Friedhof weist eine enge Bindung an die Armee auf, die mich beim ersten Besuch (2022) sehr überrascht hat. Neben vielen „normalen Haustieren“ (heute als companion animals bezeichnet) haben hier dreizehn Tiere ihre letzte Ruhe gefunden, die für ihr „vorbildliches und tapferes Verhalten“ in Kriegssituationen mit der Dickin Medaille ausgezeichnet wurden. Die Dickin Medaille ist benannt nach Maria Dickin, der Gründerin der PDSA, die sie 1943 schuf. Unter den Medaillenträgern sind vor allem Hunde, die Menschen aus Trümmern gerettet oder Sprengstoff erschnüffelt haben, aber auch die Brieftaube Mary of Exeter (1940-1945), die im „Informationsdienst“ tätig war.

Das Grab von Simon, Kater, Rattenfänger, Dickin-Medaillen-Halter, 1947-1949

Simon, der Rattenfänger auf dem Yangzi

Ganz besonders sticht die Geschichte von Simon hervor. Der Kater Simon war keine drei Jahre alt als geworden, als er 1949 ein militärisches Begräbnis mit allen Ehren bekam. Die Grabinschrift verrät nicht viel, „Simon“ könnte auch ein Hund sein. Sie deutet aber darauf hin, dass Simon weit gereist ist:

„In Memory of ‚Simon‘ served in H M S Amethyst May 1948 – November 1949
awarded Dickin Medal August 1949 died 28th November 1949
Throughout the Yangtse Incident his behavior was of the highest order”

Was war der “Yangtse Vorfall” ? Patrick Roberts hat auf seinem Katzen-Blog Purr ’n‘ Fur die Geschichte von Simon rekonstruiert, ebenfalls den Hergang seiner Recherchen unter The Quest for Simon.

Am 20. April 1949 befand sich das britische Kriegsschiff H.S.M. Amethyst auf einer Fahrt von Shanghai nach Nanjing, als es von der chinesischen Volksbefreiungsarmee beschossen wurde. Ein Teil der Mannschaft kam dabei ums Leben und die Amethyst saß über drei Monate inmitten des Flusses fest, bis sie am 30. Juli 1949 im Schutz der Dunkelheit entkommen konnte. An Bord befanden sich neben der regulären Besatzung ein Hund und eine Katze. Ihre Anwesenheit bedeutete nicht nur Trost und Unterhaltung für die Mannschaft, sondern hatte – im Falle von Simon – auch ganz praktischen Nutzen. Simon, den einer der Matrosen in Hongkong von der Straße aufgelesen hatte, erwies sich als enthusiastischer Rattenfänger. Damit trug er maßgeblich dazu bei, die Nahrungsmittelvorräte auf dem Schiff zu schützen. Seinen „Dienst“ versah er auch, nachdem er durch Schrapnellstücke verletzt worden war. Nach der Rückkehr des Schiffes nach England musste Simon wie es damals für alle Tiere vorgeschrieben war, in eine sechsmonatigen Quarantäne in Surry. Dort starb er am 28. November 1949 an einem Virus. Bei der Beerdigung auf dem Ilford Pet Cemeterey war die gesamte Schiffsbesatzung der Amethyst anwesend, einschließlich Commander Stuart Hett, dem die Aufgabe zugefallen war, die Fanpost an Simon zu beantworten.

Die Lebensgeschichte von Simon wurde 2016 unter dem Titel „Able Seacat Simon: The Wartime Hero of the High Seas“ von Lynne Barrett-Lee als Roman verewigt.

„Able Seacat Simon: The Wartime Hero of the High Seas“, Roman von Lynne Barrett-Lee

Jan und Antis

Auch über den Hund Antis wurden Bücher geschrieben, das erste war One Man and His Dog (1961) von Anthony Richardson. Der deutsche Schäferhund wurde als Welpe von einem tschechischen Piloten gefunden und aufgenommen. Er begleitete diesen während des Krieges, zuerst in Frankreich, später in England. Details zu Antis und Václav Robert Bozděch gibt’s bei Wikipedia. Als mich im Juli 2023 Steve, ein Ehrenamtlicher des Friedhof, herumführte, erzählte er mir, wie einmal ein Niederländer mit seiner Frau zu Besuch gekommen und der Mann am Grab von Antis in Tränen ausgebrochen sei. Er hatte als kleiner Junge das Buch gelesen.

1939: das Hunde- und Katzenmassaker

Laut Hilda Kean, Autorin des Buches „The Great Cat and Dog Massacre“ (2017) wurden auf dem Ilford Pet Cemetery auch bis zu 500.000 Haustiere bestattet, die ihre Londoner Besitzer im September des Jahres 1939 nach der Kriegserklärung Hitler-Deutschlands in einer Art Massenhysterie hatten einschläfern lassen. Wohl aus Angst davor, sie nicht ernähren zu können, oder um ihnen die Schrecken des Bombenkrieges zu ersparen. Die Autorin Hilda Kean, die zu dem Thema geforscht hat, bezeichnet dies als eine todgeschwiegene Episode in der britischen Geschichte und vermisst einen entsprechenden Hinweis oder ein „Denkmal“ auf dem Ilford Tierfriedhof.

Adresse: Hinter der PDSA Clinic, Woodford Bridge Road, Redbridge, Ilford, Essex IG4 5PS

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