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Caitlin Doughty: „Wo die Toten tanzen. Wie rund um die Welt gestorben und getrauert wird“

Buchcover: "Wo die Toten tanzen". Autorin Caitlin Doughty

Das Buch „Wo die Toten tanzen. Wie rund um die Welt gestorben und getrauert wird“ ist 2019 auf Deutsch erschienen und ich hatte es schon im letzten Jahr mit Begeisterung gelesen. Ich finde es informativ, inspirierend, tröstlich und sehr witzig geschrieben, also kurz: empfehlenswert.

Die Autorin Caitlin Doughty ist gelernte Bestatterin und hat ihr eigenes Nonprofit-Bestattungsunternehmen in Los Angeles. Sie hat eine Mission, die vor allem auch vor der Realität der US-amerikanischen Bestattungsindustrie zu sehen ist: den Tod wieder mehr ins Bewusstsein der Lebenden zu bringen, und die Lebenden zu ermutigen, sich mehr mit ihren Toten und auch ganz konkret deren Körpern zu beschäftigen. Diese Mission kommt im englischen Originaltitel des Buches etwas deutlicher zum Ausdruck: „From here to Eternity. Travelling the World to find the Good Death“. Also nicht einfach nur gucken, was machen die da und wie, sondern einen guten Umgang mit dem Tod finden.

Das Buch umfasst acht Kapitel, in denen jeweils ein Ort oder eine geografische Region im Mittelpunkt stehen. Drei Kapitel schauen sogar auf alternative Bestattungsformen in den USA selbst, die allerdings sehr marginal sind: In dem kleinen Ort Crestone in Colorado (mit 137 Einwohnern im Ort und 1400 in der Umgebung) ist eine Feuerbestattung in Form eines Scheiterhaufens im Freien möglich. Allerdings nur für Ortsansässige. In North Carolina betreibt die Western Carolina University eine Forschungsstation, wo die Kompostierung menschlicher Leichen erforscht wird. Die Versuchsobjekte haben ihre Körper der Wissenschaft gespendet. Hinter dem Projekt steht Katrina Spade, die inzwischen das gemeinnützige Unternehmen Recompose gegründet hat. Das dritte Beispiel ist eine schlichte „Naturbestattung“ in der Mojave-Wüste.

„Rund um die Welt“ hat Doughty Indonesien, Mexico, Bolivien, Spanien und Japan besucht (Österreich und Italien werden sozusagen im Vorbeigehen erwähnt) und hier zum Teil hautnahe Erfahrungen mit Skeletten und mumifizierten Leichen gemacht. Während die ersten drei Orte sich durch einen ziemlich distanzlosen Umgang mit Leichen auszeichnen – in Bolivien gibt es Menschen, die Köpfe in ihren Häusern sammeln (Schädel oder Schrumpfköpfe), die liebevoll gehegt, geschmückt und ausgeführt und von anderen Menschen zur Lösung von Problemen aufgesucht werden – hat sich in Japan eine interessante Mischung aus Hightech, Innovationen und Traditionen herausgebildet.

Besonders gefiel der Autorin das Lastel (Last + Hotel) in Hotel, in dem An- und Zugehörige in einer familiären Atmosphäre auch in einem größeren Kreis als es das typische japanische Großstadtapartment erlauben würde, von einem Leichnam Abschied nehmen und eine Totenwache halten können. Und das ohne zeitliche Begrenzung, also auch über Nacht.

Buchcover: „Wo die Toten tanzen“. Autorin Caitlin Doughty

Das Buch liefert unendlich viele Details, die immer direkt von der Autorin kommentiert werden. Darunter eben wiederholt Seitenhiebe gegen die industrialisierte und hoch kommerzialisierte Form des Bestattens in den USA, die Familien ihre Toten entzieht und sich gegen Veränderungen sträubt, die ihre Einnahmequellen bedrohen. Eine „normale“ Beerdigung kann in den USA, wo auch das Einbalsamieren des Leichnams üblich ist, bis zu 10.000 Dollar kosten. Und der Sarg wird auf dem Friedhof noch nicht einmal in die Erde versenkt (das scheint nicht erlaubt zu sein), sondern in eine Betongruft.

Auf ihren Reisen hat Caitlin Doughty verschiedene Arten des aktiven und liebevollen Umgangs mit Toten erlebt. Sie selbst wünscht sich allerdings am Liebsten eine „Himmelsbestattung“ wie sie in Tibet oder bis vor nicht allzu langer Zeit von den Parsen in Mumbai in sogenannten „Türmen des Schweigens“ durchgeführt wird bzw. wurde. Der Körper soll von Geiern oder anderen Tieren gefressen werden und so direkt in den Stoffkreislauf der Natur und des Lebens zurückgeführt werden. Allerdings ist sie wenig optimistisch, dass diese Bestattungsform während ihrer Lebensspanne legalisiert werden wird.

Das Buch wurde übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. Es hat 256 Seiten und erschien im September 2019 im Piper Verlag.

Caitlin Doughty ist Initiatorin und Gründerin des Order of the Good Death und aktive Youtuberin: Caitlin Doughty – Ask A Mortician.

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