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Der Erdgott auf dem Père Lachaise

Sieht aus wie ein Grab – ist aber keins! Die drei chinesischen Zeichen auf dem Stein sind kein Name, sondern bedeuten „Herr der Erde“ (oder „Herr des Bodens“), auch: Erdgott. Wie Gott in Frankreich also… Der chinesische Erdgott ist ein beliebter Gott niederen Ranges in der chinesischen Volksreligion. In den 1990ern sah ich in Sichuan zahlreiche Erdgott-Schreine an Landstraßen. Bauern opfern ihnen, um Überschwemmungen, Dürren und andere Naturkatastrophen abzuwenden.

Ein Altar für den Erdgott – 土地爷 tudiye

In „Religionen in China: Geschichte, Alltag, Kultur„, schreibt der Autor Florian Reiter, Professor für Sinologie an der Humbold Universität Berlin, über den „Herrn des Bodens“:

„Aufgestellt bei Gräbern, wacht er über die mit yin verbundenen Geister, die er dort festhält, so dass sie fern der Menschen bleiben. Andererseits wacht er auch über die Taten der Menschen in ihrem Gemeinwesen. Er vertritt den ‚Gelben Kaiser‘, der wiederum für ‚die Mitte‘ steht und so die Ernte und den Erfolg der wirtschaftlichen Produktion zuständig ist.“

In: Florian C. Reiter: „Religionen in China: Geschichte, Alltag, Kultur„, München, Beck, 2002, S. 51.

Der Erdgottaltar steht rechts neben diesen beiden Grabstätten, die kleinen Weihrauchbehälter, die sich ja sehr ähnlich sehen, zeigen, dass sie wohl zusammen gehören. Auch in Japan werden Erdgötter verehrt. Ein gewisser Matthias Eder schreibt in „Geschichte der japanischen Religion“ (S. 101ff), dass es sich beim Erdgottschrein häufig um das Grab eines Ahnen der ersten Generation einer Sippe handele. Das wird hier wohl nicht zutreffen. Also ich hoffe mal, dass sich der chinesische Erdgott auch in Frankreich zuständig fühlt und seine Schutzpflichten übernimmt, am Besten nicht nur für die Familie Zheng, sondern für den ganzen Père Lachaise Friedhof.

Die Dame links stammte aus Panyu in Guangdong, gehörte zur Familie Zheng, geboren im Yichou Jahr (1925), verstorben im Renwu Jahr (2002). Der Herr rechts stammt aus Quanzhou, Provinz Fujian, geboren 1916, verstorben im Xinchou Jahr. Da nach der traditionellen chinesischen Zeitrechnung die Jahre in 60er-Zyklen gezählt werden, könnte das Xinchou Jahr entweder 1961 oder 2021 sein. So ganz neu sieht das Grab ja nicht aus, also vielleicht 1961? Und falls es sich um ein Ehepaar handelt – warum dann zwei Grabstellen? Immer so viele Fragen!

Zur chinesischen Zeitrechnung und dazu, wie die Jahresbezeichnungen zustande kommen, gibt es hier einige Details: www.kultur-in-asien.de.

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