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Rund um den Friedhof – Bücher zu Weihnachten 3: Tierfriedhof und die Wissenschaft vom Tod

Tierfreidhof Kiel 2021

Es gibt in deutscher Sprache einige Bücher zum Abschied von und Trauer um ein Haustier, aber nur eines zu Tierfriedhöfen: „Da liegt der Hund begraben. Von Tierfriedhöfen und Tierbestattungen“ von Susanne Kolbe, erscheinen 2014. Der älteste Tierfriedhof Europas, der Cimetière des chiens bei Paris nimmt darin mit 30 Seiten und sehr vielen Fotos einen relativ großen Raum ein. Interessant sind die Einblicke in die Geschichte der Tierbestattung und Informationen zu einzelnen mehr oder auch weniger bekannten Tiergräbern oder Gedenkorten in Deutschland, wobei die Begräbnisstätten der Windspiele Friedrichs des Großen und die Gräber von Richard Wagners Neufundländern wohl zu den prominenteren zählen. Die Autorin ist Europäische Ethnologin/Kultur­wissen­schaftlerin und hat, was man in dem Büchlein nicht unbedingt erwarten würde, auch ein Kapitel zu Tiertoden in der Literatur geschrieben, ein Thema, das sicher noch ausbaufähig wäre.

Im zweiten Teil geht es um verschiedene Aspekte von Tierbestattung in der heutigen Zeit, die ja wie der stete Zuwachs an Tierfriedhöfen zeigt, ein gesellschaftliches Bedürfnis widerspiegeln. Beispielhaft werden mehrere Tierfriedhöfe vorgestellt, so der damals (2012/2013) relativ neue Tierfriedhof in Marburg und der Tierhimmel Teltow bei Berlin. Auch dieser Teil ist von vielen Fotos begleitet. Wer ist die Zielgruppe für das Buch? Wahrscheinlich Hunde- und Katzenbesitzer, die schon einen tierischen Begleiter verloren haben, oder die sich Gedanken darum machen, wie sie sich in dem Fall verhalten werden und ob ein Platz auf einem Tierfriedhof für sie das richtige ist. Seit dem Erscheinen des Buches haben sich jedenfalls schon wieder neue Entwicklungen ergeben, so wird wohl die Bestattung von Mensch und Tier zusammen bald auf mehreren Friedhöfen möglich sein, auf dem Ohlsdorfer Friedhof ab 2020/2021.

Buchcover: „Da liegt der Hund begraben“ © Jonas Verlag

„Da liegt der Hund begraben. Von Tierfriedhöfen und Tierbestattungen“ Susanne Kolbe, Jonas Verlag 2014, 132 Seiten mit Fotos, 15 Euro, ISBN: 978-3-89445-489-0.

„Der Knochenleser“

„Der Knochenleser“ ist ein äußerst spannend zu lesendes Buch (eine Biographie), welches Wissenschaft und Forschung lebendig macht und auch zeigt, wie sich ein Forschungsfeld über Jahrzehnte entwickelt. Der Autor des Buches, Dr. William M. Bass (Bill Bass), ist ein US-amerikanischer forensischer Anthropologe, der in den 1970er Jahren an der Universität Tennessee in Knoxville die „Body Farm“ gründete. Eine peinliche Fehleinschätzung am Anfang seiner Karriere – er hielt die 112 Jahre alte Leiche des im Bürgerkrieg erschossenen Colonel Shy für ein aktuelles Mordopfer – war der Anlass für Bass, seine berufliche Laufbahn dem Verwesungsprozess von Leichnamen unter verschiedenen Bedingungen zu widmen.

Im Zusammenhang mit dieser Episode wird bemerkenswerterweise ein altes chinesisches Buch mit dem Titel „Vom Hinwegwaschen des Ungerechten“ aus dem Jahr 1247 erwähnt. Auf Seite 121 schreibt Bass dazu:

In dem Dreivierteljahrtausend, seit Sung Tz’u sein Werk verfasste, hatte man über die längere Phase nach dem Tod praktisch nichts Neues mehr entdeckt oder veröffentlicht. Als ich 1977 die sterblichen Überreste von Colonel Shy untersuchte, konnte ich der wissenschaftlichen Literatur keine größeren Kenntnisse entnehmen, als die, welche Sung Tz’u bereits 1247 besessen hatte.“

Bill Bass: „Der Knochenleser“, Goldmann, deutsche Ausgabe 2004, S. 121.

Sung Tz’u, oder Song Ci 宋慈 lebte von 1186–1249 in der südlichen Song Dynastie. Er war Arzt und  Richter. In Xi Yuan Ji Lu, auch: Collected Cases of Injustice Rectified, hielt er seine Erkenntnisse bei der Untersuchung von Leichen, mit denen ihn seine berufliche Tätigkeit in Kontakt brachte, aber auch historische Fälle fest. Ziel war es, ein Handbuch für Leichenbeschauer zu erstellen.

Darum geht es auch im überwiegenden Teil von „Der Knochenleser“. Bass beschreibt zahlreiche ungeklärte Todesfälle / Morde, zu denen er von lokalen Polizeiermittlern gerufen wird, um bei der Klärung zu helfen. Dabei wird er meist von ehemaligen Studenten unterstützt, die sich im Zeitlauf in immer spezielleren Unterbereichen des Faches spezialisieren. Bass beschreibt verschiedene Methoden, anhand von Skelettteilen Alter, Geschlecht Größe und Rasse der Toten zu bestimmen oder den Todeszeitpunkt anhand des Madenbefalls.

Ich persönlich fand auch den ersten Teil sehr interessant, in dem Bass von archäologischen Grabungen an einem ehemaligen Dorf der Arikara in South Dakota berichtet, wo er speziell der Frage nachging: Wo hatten die Arikara ihre Toten ‚versteckt‘? Mit Hilfe von Ameisen konnte er die Frage lösen und den über 200 Jahre alten Friedhof finden, ausgraben und wissenschaftliche auswerten (natürlich nicht er allein, sondern mit der Hilfe vieler Studenten). Kurze Zeit später wurde das Gebiet von einem Stausee verschluckt.

Was das Buch so lesenswert macht, ist wohl nicht zuletzt die Leidenschaft (und der Humor) des Autors, die man auf jeder Seite spürt, wenn er z.B. schildert, wie er zu Beginn seiner Arbeit in Mordfällen gefundene Knochen noch auf dem heimischen Herd ausgekocht hat, oder wie er eigenhändig das Betonfundament für die erste Phase der Bodyfarm legt.

Bill Bass/Jon Jefferson: „Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt“, Goldmann Verlag, 2004, 384 Seiten, deutsche Übersetzung: Sebastian Vogel (Übersetzer)

Die Website https://bonezones.com/ von Dr. Bass zeigt, dass der Wissenschaftler auch im Alter von 93 Jahren noch sehr aktiv ist. Interessant die Rubrik: „Merchandise“!

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